Ein Denkmal im Jugendstil
Die ersten nachweisbaren musikalischen Vereinigungen nach der Reformation in den Städten unserer Region wie Bitterfeld, Brehna, Düben, Gräfenhainichen und Zörbig waren Kantoreigesellschaften. Oft waren es nur kleine Chöre mit vier Stimmen, gelegentlich nur zweifach besetzt. Die Aufgabe der Bitterfelder Kantoreigesellschaft war – wie in allen Orten – Gottesdienste und weltliche Veranstaltungen des Bitterfelder Rates mit Gesang zu verschönern.
In Bitterfeld bestand zudem von 1591 bis 1871 eine Stadtpfeiferei, die im Halleschen Tor ihren Sitz hatte und über viele Generationen von der Familie Otto geleitet wurde. Gelegentlich wirkten Kantorei und Stadtpfeiferei zu kirchlichen und weltlichen Festen zusammen.
Die Stadtpfeiferei bildete ein kleines Orchester, vorwiegend mit Blasinstrumenten. Die oft schlecht bezahlten Pfeifereien spielten zum Tanz, bei feierlichen Ratssitzungen sowie vor Privatgesellschaften. Der Stadtpfeifer, auch Stadtmusikus genannt, war gleichzeitig Musiklehrer, der Lehrlinge ausbildete. War das vielleicht die erste Bitterfelder Musikschule? Als fortgeschrittene Musiker musizierten die Stadtpfeifer auf den zahlreichen Tanzvergnügungen an Wochenenden und Festtagen in Stadt und Umgebung, um ihr schmales Salär aufzubessern.
Einen neuen Impuls bekam das städtische Musikleben durch den Kantor und Lehrer J. G. Schöbe, der ab 1825 öffentliche Konzerte veranstaltete und ganz im Geiste der Zeit im gleichen Jahr einen ersten weltlichen Männerchor ins Leben rief. Der Kirchenmusik verhalf Kantor J. C. Neumann 1831 durch die (Wieder-)Gründung der Kantorei zu neuem Ansehen. 1868 folgte die Gründung des Gesangvereins „Liedertafel“ und 1870 entstand mit dem Gesangverein „Germania“ der erste gemischte Chor der Stadt. 1890 zählte Bitterfeld 11 Gesangvereine.
Der letzte Bitterfelder Stadtmusikus Wilhelm Otto wurde nach 1871 erster Stadtmusikdirektor, d. h. Leiter einer inzwischen gegründeten Bitterfelder Stadtkapelle.
Diese vermutlich aus der Stadtpfeiferei hervorgegangene Bitterfelder Stadtkapelle wurde ab 1888 von dem ehemaligen Brehnaer Stadtmusikdirektor Albert Lux sen. (gest. 1922) geleitet. Er gründete 1897 – dem Zeitgeist entsprechend – eine Militärmusikschule. Sie fand in der Binnengärtenstraße ihr Zuhause und könnte als erste Musikschule in Bitterfeld gelten.
Mit dem Wachsen der Industriestadt Bitterfeld wuchs Mitte des 19. Jahrhunderts auch das Unterhaltungsbedürfnis ihrer Einwohner. Das „Alte Schützenhaus“ (heute ein Parkplatz am Theater) wurde ab 1850 Ort musikalischer Unterhaltung. 1867 folgte „Döring´s Etablissement“ (heute Hotel Central) und ab ca. 1880 kamen der „Bürgergarten“ sowie später weitere große Lokale hinzu. Dort gastierten Ensembles mit aktuellen Musikproduktionen sowie bekannte Solisten aus großen Häusern Deutschlands.
Oscar Böhme eröffnete 1899 eine Bitterfelder Buch- und Musikalienhandlung, die er etwa 1910 um einen Klavierhandel erweiterte. Ab 1890 verkaufte August König in einem eigenen Geschäft Musikinstrumente wie Harmonikas, Zithern und Violinen. 1901 war in der Stadt sogar Platz für die Gründung eines dritten Musikhauses: Gustav Raack vertrieb dort Noten und Instrumente.
Das Musikleben der Stadt wurde immer auch von Lehrern geprägt. Besonders zu erwähnen sind hier Prof. Arno Werner (1865-1955) und Albert Lux jun. (1891-1968).
Prof. Werner erlangte mit Forschungen zur mitteldeutschen Barockmusik in Fachkreisen große Bekanntheit, war in der Region aber auch gefragter Orgel- und Glockenexperte sowie Leiter mehrerer Chöre. Die Gründung einer Bitterfelder Musikschule in öffentlicher Trägerschaft im Jahre 1959 erlebte er leider nicht mehr (siehe Tafel 6).
